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Weihnachtsbotschaft des Landesbischofs Tobias Bilz


24. Dezember 2022

„Liebe Gemeinde unserer weihnachtlichen Vesper auf dem Neumarkt und an den Bildschirmen,

zum ersten Mal stehe ich hier und richte das Wort an Sie. Es berührt mein Herz, den vollen Platz zu sehen. Sie sind hergekommen, weil etwas Sie geleitet hat. Wie würden Sie selbst Ihre Motivation beschreiben? Sind Sie der Musik wegen hier oder wegen der Menschen, mit denen Sie sich (endlich wieder) verbinden möchten? Geht es um die Weihnachtsgeschichte oder um Weihnachten jetzt, hier und heute?

Menschen setzen sich in Bewegung und lassen sich leiten. Manchmal durch äußere Umstände, andermal durch Pflichtbewusstsein. Gelegentlich von Zwang oft aber auch von inneren Sehnsüchten und Wünschen vorangetrieben.

Ich möchte Ihnen für die Predigt mein „Leit-wort“ lesen. Es steht in Psalm 43, der 3. Vers:

Sende dein Licht und deine Wahrheit, dass sie mich leiten zu deiner Wohnung.

Dieser Satz ist Teil eines Gebetes. Es hat jemand formuliert, der sich nach Orientierung gesehnt hat. Genaueres erfahren wir nicht. Es scheint aber so zu sein, dass er verlorengegangen ist, sich also an einem Ort befindet, wo er nicht hingehört. Er ist ungeborgen und ausgeliefert, hat keine Wohnung und braucht Hilfe, weiß nicht wohin.

Maria und Joseph könnten dieses Gebet nachgesprochen haben, als sie durch Bethlehem irrten, um eine Unterkunft zu finden. Genauso die Weisen aus dem Osten, als sie den Stern aus den Augen verloren hatten. Aber dieses Gebet entspricht womöglich auch dem, was Sie zurzeit empfinden. Es geht um den Ort, wo wir hingehören, wo wir sein sollen.

Wie oft sind Sie schon umgezogen? Ich habe mal nachgerechnet. Achtmal. Damit liege ich ziemlich im Durchschnitt der Bundesbürger. Einige Umzüge waren besonders für mich: etwa der Auszug aus dem Elternhaus oder die erste gemeinsame Wohnung mit meiner Frau. Ich musste auch schon mal raus, weil jemand anderer Anspruch auf meine Wohnung hatte. Noch nie habe ich ganz allein gewohnt und noch nie in einer Wohnung oder einem Haus, das mir selbst gehörte. Es kann ziemlich viel schief gehen mit Wohnungswechseln. Was hilft die Toplage, wenn die Nachbarn nicht passen? Ich habe vor jedem Wohnungswechsel gebetet. Dass sich’s fügt und ich den Platz finde, wo ich hingehöre. Lasst uns besonders auf die achten, die gerade eine Bleibe suchen und ihnen nicht noch Steine in den Weg legen. Auf Wohnungssuche braucht man Hilfe statt Ablehnung und gute Orientierung!

Mir kommt es so vor, als ob ich noch nie so oft um Orientierung gebeten worden bin, wie in dieser Zeit. Es werden Wege gesucht durch die Krisen und Herausforderungen unserer Tage. Wege zum Frieden und zur Versöhnung, Wege für die Wirtschaft und für die Bewahrung der Schöpfung. Wege, die wir gemeinsam gehen können und solche, die nicht auf Kosten anderer gebaut werden. Wege schließlich, die zu Wohnungen führen, in denen wir nicht nur zeitweise unterschlüpfen, sondern wirklich ankommen. Wohnungen, die gute Lebensorte sind – wenn möglich für immer!

Sehr gern möchte ich Ihnen heute einen Weg zeigen, der dieses Ziel hat, damit Sie Hoffnung gewinnen und neue Kraft schöpfen für die kommenden Strecken. Dafür habe ich freilich weder einen fertigen Plan noch ein Navigationsgerät. Stattdessen habe ich ein Gebet und zwei Begleiter. Ich meine freilich, dass wir damit gut vorankommen werden. Das Gebet habe ich Ihnen schon verraten: Es ist eine Bitte an Gott um Führung zu seiner Wohnung.

Das könnte die Wohnung sein, wo er selbst ist aber auch die, die er für mich vorbereitet hat. Bringe mich an den Ort meiner Sehnsucht! Das ist gemeint. Einen Ort der Sicherheit und Wonne. Ja, Wonne. Wohnung und Wonne haben den gleichen Wortstamm. Die Wohnung ist also der Ort, wo ich sehr glücklich sein werde. Ich ermuntere Sie, so zu beten! Bitten Sie Gott darum, sie zu diesem Ort zu leiten. In dieser Welt und auch dann, wenn wir den letzten großen Umzug bewältigen müssen.

Damit bin ich schon bei den Wegbegleitern. Sie heißen „Licht“ und „Wahrheit“. Der Beter hat sie sich wie Engel vorgestellt, die mit ihm gehen. Ein Lichterengel und ein Wahrheitsengel gewissermaßen. Licht leuchtet ein wenig voraus, mindestens so weit, dass eine kleine Wegstrecke erkennbar wird. Wahrheit prüft, dass die Richtung noch stimmt. Ich würde sagen: Jeder der beiden steht für einen unserer beiden Füße, die wir abwechselnd voreinander setzen müssen: Licht und Wahrheit und Licht und Wahrheit…

Woran aber merkt man, dass es Gottes Licht ist, was einen leitet und wie unterscheidet man die Wahrheit von der Lüge? Gottes Licht blendet nicht, sondern eröffnet Lebensmöglichkeiten und Gottes Wahrheit unterdrückt nicht, sondern macht frei! Immer wieder müssen wir gemeinsam herausfinden, was das konkret heißt.

Liebe Weihnachtsvespergemeinde,

wenn wir gerade selbst um Orientierung ringen und nicht klar sehen, wenn gerade viele Fragen unbeantwortet bleiben, wenn die Herausforderungen größer sind als unsere Möglichkeiten, ist es nur normal und sinnvoll, dass wir uns Hilfe holen. Lasst uns diese Hilfe bei Gott suchen. Er ist möglicherweise in den Zeiten des Wohlstandes und der scheinbaren Sicherheit ein wenig in Vergessenheit geraten. Jetzt haben wir die Gelegenheit, neues Gottvertrauen zu gewinnen.

Eine Aufgabe, etwas Liebgewordenes, selbst eine gesellschaftliche Epoche kann ein Ende finden. Vergangenes und Gewohntes aufzugeben fällt uns schwer. Es kommt uns dann so vor, als ob wir eine behagliche Wohnung verlassen müssten.

Manchmal aber steckt Gott selbst dahinter, weil er uns in das Land des Lebens führen möchte, in ein Land, dass er uns zeigen wird.

Weißt Du, was ich mir wünsche? Das hat mich meine Frau bei unserem letzten Umzug gefragt. Ich wünsche mir, dass uns dort, wo wir hinziehen jemand willkommen heißt. Dieser Wunsch hat sich tatsächlich erfüllt. Ja, es ist gut, willkommen zu sein. Dort wo Gott ist, bin ich daheim, meint der Beter unsers Verses. Die Antwort Gottes könnte lauten: Wenn Du mich willkommen heißt, werde ich bei Dir zuhause sein.

Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Christfest, ein Fest voller Wonne!

Und ich wünsche Ihnen einen hoffnungsvollen Aufbruch ins neue Jahr hinein. Amen.“

https://www.evlks.de/fileadmin/userfiles/EVLKS_interessiert/B._Wir/3._Leitung/Landesbischof/Weihnachtsbrief-des-Landesbischofs-2022.pdf